Malerei von Stefanie Kabitzke
Die weiße Leinwand, stellt sich mir als eine Art Vakuum dar, ein luftleerer Raum, in dem die Dinge ungeschützt miteinander konfrontiert werden können, sich gegenseitig auflösen, zu etwas Neuem verbinden, oder möglicherweise ihren Aggregatzustand ändern – wo festes leise flüssig wird und dann mit lautem Getöse verpufft. Das Spannungsfeld zwischen organisch Gewachsenem und synthetisch Konstruiertem ist der zentrale Ansatz meiner Bildgestaltung. Aus unterschiedlichsten Perspektiven reagiere ich auf das entstehende Geflecht von Beziehungen und Konflikten mit meinen Mitteln der Malerei, wobei Nähe und Distanz von gleichwertiger Bedeutung sind. Meine malerische Perspektive auf die Dinge hat sich mit der Zeit auf die kleinstmöglichen Partikel dieser Erscheinungsformen von Farbe fokussiert. Erst der mikroskopische Blick auf diese Formen, eröffnete mir in seiner räumlichen Beschränkung ein hohes Maß an Vielfalt von Bildstrukturen und die Möglichkeit den Kern des Themas zu visualisieren.
Mein ursprünglicher Bildgedanke wandelt sich während des Malprozesses mehrmals, doch bleibt das Thema in seinem Kern erhalten. Dieser zeitintensive Prozess generiert ungemein vielschichtige wie komplexe Bildstrukturen und entwickelt ein Beziehungsgeflecht, das deutliche Parallelen zur Natur ausbilden kann. Die Farbe bildet einen Raum, in dem Schwer- und Fliehkraft, Rhythmus und Volumen, eingebettet in zeitliche Abfolgen und Zusammenhänge, präsent sind. Ich forciere dabei einen sehr genau definierten Abstraktionsgrad, der gelegentlich fast schon gegenständlich anmutet. Dabei suche ich die Farbe nicht in eine Form zu pressen, sondern ihr die Möglichkeit der Ausdehnung zu geben, ihre Bewegung, ihre Geschwindigkeit und spezifische Oberflächenqualität zu unterstützen. Die Form muss dabei allerdings halten, was die Farbe verspricht. Der Dialog zwischen mir und dem Bild erfordert Entscheidungen von mir, die während des Entstehungsprozesses intuitive und bewusste Form- und Farberfindungen zulassen. Im Dialog zwischen dem Bild und mir als Mensch, stellen sich mir immer wieder neue Fragen,doch es liegt mir fern, ein und dieselbe Antwort nur immer wieder neu zu formulieren. Ziel ist meist die Präzision der Frage selbst, wobei jeder Betrachter seine eigene Antwort mitbringt. Meine Bilder verstehe ich als Projektionsflächen, die dem Betrachter die Möglichkeit bieten eigene Assoziationen und Verknüpfungen zu finden und den Prozess des „Werdens und Vergehens“ sinnlich nachzuempfinden, anhand des ablesbaren Entstehungsprozesses des Bildes selbst, welcher in unterschiedlich ausgeprägter Form in Erscheinung tritt.
Die Titel folgen einer durchlaufenden Nummerierung. Es wird auch hier ein Prozess markiert, in dem ein Bild ein Nächstes hervorruft. Die Abstraktion birgt für mich ein großes Maß an natürlicher Selbstverständlichkeit, die entstehenden Gebilde nur bis zu einem bestimmten Grad „auszuformulieren“, sie in ihrer malerischen Rohheit und ihrer natürlichen Entsprechung agieren zu lassen, statt sie zugunsten einer bestimmten unmalerischen Assoziation in ihrer Kraft zu beschneiden. Der Prozess der Bildfindung lässt sich auf unterschiedlich ausgeprägte Art und Weise noch aus dem fertigen Bild ablesen. Er offenbart immer ein zeitliches, als auch materielles Davor und Dahinter. Die Farbe vollzieht auf direkt physikalische Weise natürliche Prozesse.
Jeder Gedanke sucht sich seinen Raum, in dem er sich artikuliert. Das Bild ist so groß wie sein Gedanke.
Ich begreife das Malen als eine Art Forschungsarbeit, die auf Instinkt und Intuition basiert. Dabei erschließen sich für mich neue Zusammenhänge der Dinge durch mögliche Analogien, Verwandtschaften und Differenzen.
Ein Bild ist lebendig – und damit vollendet, wenn ich mich umdrehe und seinen Blick im Nacken spüre, wenn es Vorlieben und Abneigungen hat, Stärken und Schwächen, Intelligenz und Dummheit, Gutmütigkeit und Strenge, Substanz und Leere, offene Fragen und klare malerische Behauptungen, Knospen und Narben, Farbe und Form, Stabilität, Intimität, Geheimnis, Komplexität und Einfachheit.
Stefanie Kabitzke, 2011